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Persönlichkeiten der Kaiserzeit

Die deutsche Kaiserzeit war natürlich geprägt von der Industrialisierung, die längst alle Lebensbereiche erfasst hatte. Doch haben die Menschen diese neuen Möglichkeiten ganz unterschiedlich versucht, für sich zu nutzen.

Inhaltsverzeichnis zum Thema

Deutschland und die Kaiserzeit

Ohne Zweifel: Die deutsche Kaiserzeit war eine der spannendsten Perioden der deutschen Geschichte – jedoch mit dem wohl schlimmstmöglichen Ende. Mit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 begonnen, endete die erste und einzige konstitutionelle Monarchie Deutschlands mit der Niederlage im 1. Weltkrieg 1918. Als erster Kaiser wurde am 18. Januar 1871 der preußische König Wilhelm I. berufen, und zwar symbolträchtig im Spiegelsaal von Versailles, nachdem man zuvor in den Einigungskriegen Frankreich bezwungen hatte.

Zu dieser Zeit befanden sich Deutschland sowie die anderen Industriestaaten Europas mitten in der Phase der Hochindustrialisierung. Aus Agrar- wurden Industriegesellschaften und dies hatte einschneidende Auswirkungen auf alle Lebensbereiche zur Folge. Doch nicht alles verbesserte automatisch auch die Lebensqualität der Menschen, denn vom technischen Fortschritt der Industrialisierung profitierten auch das Militär und die Rüstungsindustrie. Imperialismus und ein übersteigerter Nationalstolz taten ihr Übriges und so manövrierte sich der alte Kontinent nach und nach in die Fänge des 1. Weltkrieges. Doch welche Personen fallen dir ein, wenn über das Deutschland der Jahrhundertwende gesprochen wird?

Soldaten

Kaiser Wilhelm II.

Kaum eine Person kann dir besser als Sinnbild für den Zeitgeist dieser Tage dienen als der Hohenzoller Kaiser Wilhelm der II. Von 1888 bis 1918 war er Kaiser des Deutschen Reiches sowie König von Preußen. Nicht lange nach seinem Amtsantritt entließ er den verdienten Reichskanzler Otto von Bismarck und führte einen außenpolitischen Kurswandel herbei. Vorbei war die Zeit einer saturierten Außenpolitik. Deutschland müsse sich einen „Platz an der Sonne“ verdienen im Konzert der anderen Nationen. Deshalb strebte Wilhelm der II. nach Kolonien in Afrika, setzte neue Flottengesetze durch oder positionierte sich an der Seite Österreich-Ungarns in der Balkankrise. Diese und viele Entscheidungen mehr stießen das Kaiserreich in unzählige Interessenkonflikte mit den anderen Großmächten Europas, was ein verheerendes Wettrüsten aller zur Folge hatte. Am Ende dieser aggressiven Außenpolitik stand der 1. Weltkrieg. Im Jahre 1918 verkündete dann Max von Baden die Abdankung des Kaisers, ganz ohne dessen Einverständnis einzuholen, worauf dieser sich ins niederländische Exil zurückzog.

Kaiser Wilhelm II. – Mehr Schein als Sein?

Die Rolle Kaiser Wilhelms des II. war also nur wenig rühmlich. Unter ihm gediehen gefährlich nationalistische Strömungen genau wie imperialistischer Größenwahn. Auch innenpolitisch war er nicht wirklich demokratisch gesinnt. Zwar versuchte er durch die Aufhebung von Bismarcks Sozialistengesetzen diese für sich zu gewinnen, doch war dies nur reines Kalkül. Wirklich demokratische Reformen lehnte er strikt ab. Seine Regierungszeit hatte auf allen Ebenen einen durchweg autoritären, militanten und konservativen Charakter. Doch sollte man zumindest erwähnen, dass Kaiser Wilhelm der II. nicht weniger Produkt seiner Umwelt und Zeit gewesen war als viele andere Persönlichkeiten dieser Tage auch. Denn der angesprochene autoritäre, militante und nationale Zeitgeist hatte damals ganz Europa befallen.

Leo Frobenius

Leo Frobenius und sein Leben beleuchten einen anderen Aspekt des Großmachtstrebens der Industrienationen dieser Zeit: die Kolonialisierung. Wie wir erfahren haben, versuchte das Kaiserreich unter Kaiser Wilhelm II. vor allem in Afrika Fuß zu fassen, doch im Vergleich zu den traditionellen Kolonialstaaten wie Großbritannien, Frankreich oder Portugal hatte man erheblichen Aufholbedarf, was recht schnell zu Spannungen unter den Kolonialstaaten führte. Der spätere Ethnologe Leo Frobenius, geboren 1873 in Berlin, befasste sich schon früh mit Völkerkunde und gründete im Jahre 1898 in München das Afrika-Archiv (Institut für Kulturmorphologie). Von 1904 bis 1935 unternahm er verschiedene Forschungsexpeditionen nach Afrika und wurde schnell zum Experten auf dem Gebiet. Sein umfangreiches Portfolio umfasst neben fast 4700 Kopien prähistorischer afrikanischer Felsbilder auch Sammlungen afrikanischer Volkserzählungen. Später wurden ihm seine wissenschaftlichen Leistungen mit einer Stelle als Honorarprofessor an der Frankfurter Universität vergolten.

Noch heute wird Frobenius in vielen afrikanischen Ländern hoch geschätzt. Seine Kulturmorphologie begriff Kulturen als einzelne Organismen und stützte sich auf die Theorie einer sogenannten Kulturseele, die diese innehaben sollen. Auf dieser Grundlage sprach er sich gegen die damalige Gelehrtenmeinung aus, die afrikanische Kultur sei der europäischen unterlegen! Die Industriestaaten waren von dieser Haltung natürlich wenig begeistert, kam ihnen aufgrund ihrer aggressiven Kolonialpolitik eine gewisse Herabwürdigung der afrikanischen Kultur und Völker, vor allem seitens der Wissenschaft, durchaus gelegen. Doch Frobenius blieb standhaft. Nicht zuletzt deshalb sagte Léopold Sédar Senghor, Begründer der literarisch politischen Strömung Négritude, die für die kulturelle Selbstbehauptung Afrikas eintritt, einst über Frobenius, er habe „Afrika seine Würde und seine Identität wiedergegeben“.

Diese Lebensleistung kann, vor allem vor dem Hintergrund der teils grausamen Auswüchse des Kolonialismus, kaum hoch genug eingeschätzt werden. Leo Frobenius starb am 9. August 1938 in Italien. Sein Grab auf dem Hauptfriedhof Frankfurt ist heute ein Ehrengrab der Stadt.