Die biogenetische Grundregel, formuliert von Ernst Haeckel, postuliert, dass die Entwicklung eines Lebewesens die stammesgeschichtliche Entwicklung seiner Art komprimiert widerspiegelt. Sie erklärt zum Beispiel, warum menschliche Embryonen Strukturen besitzen, die Fischkiemen ähneln. Neugierig, wie die Beziehung zwischen Ontogenese und Phylogenese funktioniert? Dann lies weiter!
Säugetiere atmen mit einer Lunge. Fische atmen dagegen mit Kiemen. Das wusstest du bestimmt schon. Dass der Mensch ein Säugetier ist, ist dir mit Sicherheit auch bekannt. Aber wusstest du auch, dass menschliche Embryonen Strukturen besitzen, die den Fischkiemen sehr ähnlich sind, die jedoch in der weiteren Entwicklung wieder verschwinden?
Die verschiedenen Wirbeltierklassen unterscheiden sich sehr. Doch egal ob Fisch, Schildkröte, Huhn oder Mensch – ihre Embryonen durchlaufen Entwicklungsstadien, die sich verblüffend ähneln.
Der deutsche Zoologe Ernst Haeckel formulierte im Jahr 1866 basierend auf diesen Beobachtungen die biogenetische Grundregel:
„Die Ontogenese ist eine kurze und schnelle Wiederholung der Phylogenese.“
Um diesen Satz besser zu verstehen, definieren wir zunächst die zwei enthaltenen Fachbegriffe:
Als Ontogenese wird die Individualentwicklung eines Lebewesens bezeichnet. Bei vielzelligen Tieren beginnt die Individualentwicklung mit der Zygote, also einer Zelle, die bei der geschlechtlichen Fortpflanzung durch Verschmelzung zweier Geschlechtszellen entsteht, und endet mit dem Tod.
Als Phylogenese wird die stammesgeschichtliche Entwicklung der Gesamtheit aller Lebewesen bezeichnet, die auf die Evolution zurückzuführen ist.
Haeckel vermutete demnach in Form seiner These, dass sich in der Entwicklung eines einzelnen Lebewesens die Stammesgeschichte dessen Art in komprimierter Form wiederholt.
Außerhalb des deutschsprachigen Raums ist die biogenetische Grundregel als Rekapitulationstheorie (englisch recapitulation theory) bekannt. Das ergibt Sinn, denn das Wort Rekapitulation kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie zusammengefasste Wiederholung.
Beispiele für die biogenetische Grundregel
Die biogenetische Grundregel basiert auf Beobachtungen bei der Untersuchung der Embryonalentwicklung verschiedener Tierarten.
Die frühen Embryonalstadien von Landwirbeltieren wie den Säugetieren, den Vögeln und den Reptilien zeigen Strukturen, die als Kiemenanlagen bezeichnet werden, obwohl Säugetiere, Vögel und Reptilien mit Lungen atmen und lediglich Fische mit Kiemen.
Embryonen des Blauwals, der ein im Wasser lebendes Säugetier ist, weisen Zahnanlagen sowie Anlagen von Hintergliedmaßen und einem Haarkleid auf. Blauwale besitzen keine Zähne, kein Fell und keine Hintergliedmaße. Die meisten landlebenden Säugetiere weisen diese Merkmale auf.
Menschliche Föten besitzen vorübergehend eine sogenannte Lanugobehaarung, auch Wollhaar genannt, die zum Ende der Schwangerschaft abgeworfen wird. Bei Affen wird die Lanugo durch ein Fell abgelöst.
Es sind viele weitere Beispiele bekannt, bei denen Embryonen Merkmale aufweisen, die bei den erwachsenen Tieren nicht mehr zu finden sind, jedoch bei anderen Tierarten.
Die biogenetische Grundregel heute
Über die biogenetische Grundregel wurde in der Vergangenheit viel diskutiert. Der ursprüngliche Name „biogenetisches Grundgesetz“ hat sich in die vorsichtige Formulierung „biogenetische Grundregel“ geändert. Heutzutage ist bekannt, dass die Ontogenese die Stammesgeschichte nicht einfach vollständig in der ursprünglichen Reihenfolge wiederholt. Dennoch gibt es einen Zusammenhang zwischen der Ontogenese und der Phylogenese.
Die embryologische Ähnlichkeit der Lebewesen beruht auf der Aktivierung von Genen, die die Embryonalentwicklung steuern, früh in der Evolution entstanden sind und sich nur wenig verändert haben.
Das Wichtigste zur biogenetischen Grundregel zusammengefasst
Die biogenetische Grundregel besagt, dass die Entwicklung eines einzelnen Lebewesens dessen stammesgeschichtliche Entwicklung in kurzer Zeit wiederholt.
Die biogenetische Grundregel basiert auf den zu beobachtenden Ähnlichkeiten von Embryonen verschiedener Tierarten, die im erwachsenen Stadium weniger Gemeinsamkeiten haben.
Heutzutage wird die Ähnlichkeit der embryonalen Entwicklungsstadien verschiedener Arten durch die Aktivierung von Genen erklärt, die früh in der Stammesgeschichte entstanden sind.
Verständniskontrolle zum Text „biogenetische Grundregel“
Die biogenetische Grundregel besagt, dass die Individualentwicklung eine kurze Wiederholung der Stammesgeschichte ist.
In Fachsprache formuliert: Die Ontogenese (Individualentwicklung) rekapituliert die Phylogenese (Stammesgeschichte).
Überlege, welche Lebewesen auf der rechten Seite die Merkmale auf der linken Seite aufweisen. Welche Gruppe von Lebewesen hat z. B. Kiemen?
Eine Gruppe von Tieren bleibt übrig.
Lösung
Die Beispiele beschreiben alle Merkmale, die bei frühen Embryonalstadien einer Tierart beobachtet wurden, die erwachsenen Tiere derselben Art jedoch nicht mehr aufweisen.
Beispielsweise besitzen Blauwale keine Zähne, kein Fell und keine Hintergliedmaße. Die meisten landlebenden Säugetiere weisen diese Merkmale jedoch auf. Dies deutet darauf hin, dass sich Wale aus landlebenden Säugetieren entwickelt haben und nicht aus Fischen.
Als Phylogenese bezeichnet man die stammesgeschichtliche Entwicklung.
Lösung
Über die biogenetische Grundregel wurde in der Vergangenheit viel diskutiert. Heutzutage ist bekannt, dass die Ontogenese (Individualentwicklung) die Stammesgeschichte nicht vollständig und in der ursprünglichen Reihenfolge wiederholt.
Dennoch gibt es einen Zusammenhang zwischen der Ontogenese und der Phylogenese (Stammesgeschichte). Die Ähnlichkeit der Embryonen beruht auf der Aktivierung von Genen, welche die Embryonalentwicklung steuern, früh in der Evolution entstanden sind und sich nur wenig verändert haben.
Außerhalb des deutschsprachigen Raums ist die biogenetische Grundregel als Rekapitulationstheorie (englisch recapitulation theory) bekannt. Das ergibt Sinn, denn das Wort Rekapitulation kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie zusammengefasste Wiederholung.
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